Keynote "Regenerative Wirtschaft"
“Wo wollen wir denn eigentlich hin auf unserer nachhaltigen Reise?” Diese Frage stellte uns Stephan Hankammer, Co-Gründer des Instituts für Regeneratives Wirtschaften und Professor für Nachhaltige Unternehmensführung, gleich zu Beginn des Forum ö 2023. Neben der Frage nach dieser Reise brachte er auch eine Wegbeschreibung in Form von Zitaten mit zum Forum ö, die uns Antworten liefern sollte.
Das globale Nachhaltigkeitsproblem lässt sich wie folgt beschreiben: “Die Umwelt, die natürlichen Ressourcen und die lebenserhaltenden Systeme haben sich weiter verschlechtert, während globale Risiken wie die des Klimawandels (...) unmittelbarer und akuter geworden sind.” Die Lösung dieses Problem liegt dabei auch auf der Hand: “Nachhaltige Entwicklung (...) ist der einzig gangbare Weg zu einer sicheren und hoffnungsvollen Zukunft für Reiche und Arme gleichermassen.”
Die Zitate stammen nicht etwa von der letzten Klimakonferenz oder wurden auf einer Fridays For Future Demo in die Menge gerufen - sie entstammen der UN Konferenz Earth Summit aus dem Jahr 1992. Heute, rund 31 Jahre später, müssen wir uns eingestehen, dass wir auf dieser Reise nicht erfolgreich waren, schlussfolgerte Stephan Hankammer am Forum ö. Unsere wirtschaftliche Entwicklung hat uns zwar den größten Wohlstand beschert, den die Menschheit je gekannt hat, aber dies erfolgte auf Kosten unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Warum waren wir nicht erfolgreich?
Hankammer identifiziert einen entscheidenden Grund für unser mangelndes Handeln: Das heutige Nachhaltigkeitsverständnis. Immer mehr Unternehmen verkaufen nachhaltige Produkte, werben für umweltfreundliche Dienstleistungen und verfassen Nachhaltigkeitsberichte. Gleichzeitig verschlechtert sich der Zustand unserer Erde. Dies nennt er, wie auch Katrin Muff, den "Big Disconnect" zwischen Nachhaltigkeitsclaims und ihrer tatsächlichen Wirkung.
In der Vergangenheit ging es darum, den Status Quo zu erhalten und die ökologischen Systeme zu bewahren. Der Schlüssel liegt in Unternehmen, die nicht nur nachhaltig sind, sondern auch zur Restauration und Regeneration von Natur und Gesellschaft beitragen. Diese "regenerativen Unternehmen" verankern diese Logik im Kern ihrer Wertschöpfung und messen ihren Erfolg daran, ob sie eine Verbesserung für Natur und Gesellschaft erreicht haben. Regenerative Unternehmen betrachten sich nicht isoliert, sondern verstehen sich als Bestandteil der Natur und Teil, der versucht mehr zu geben als zu nehmen.
Regenerative Ansätze in der Praxis
Mit Beispielen, die regenerative Gedanken bereits in ihrer Unternehmensstrategie integriert haben, sorgte Stephan Hankammer für Inspirationsquellen. Der Schuhhersteller Wildling bezieht seine Wolle von Schafen, die für den Deichschutz und die Landschaftspflege eingesetzt werden, mit dem Ziel an einem spezifischen Ort einen Nettopositiven mehrwert zu erzielen für die Biodiversität vor Ort. Das Unternehmen Reckhaus war früher ein Pestizidhersteller und ist nun dabei sein Geschäftsmodell zu wandeln und sich für den Insektenschutz einzusetzen.
Hankammer schloss seine Keynote mit dem Appell, dass wir die Regeneration unserer ökologischen Systeme brauchen, da sie die Grundlage unseres Wohlstandes sind. Gleichzeitig warnte er davor, dass die Begrifflichkeiten geschärft bleiben müssen und sich unser Nachhaltigkeitsverständnis nicht verwässern darf. Regeneratives Wirtschaften mag komplex sein, aber es ist eine Notwendigkeit, der wir uns stellen müssen.
Stephan Hankammers Keynote auf dem Forum ö 2023 eröffnete eine wichtige Diskussion über die Verantwortung der Wirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit und Regeneration. Es war ein Aufruf zum Handeln und zum Umdenken, der uns alle dazu ermutigt, auf dieser gemeinsamen Reise zusammenzuarbeiten.
Eine Aufzeichnung des gesamten Vortrag finden Sie hier:
Über den Beitragenden
Stephan Hankammer ist Co-Gründer und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Regeneratives Wirtschaften (REGWI), Professor für Nachhaltige Unternehmensführung, Innovation und Entrepreneurship an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn, Leiter des Studiengangs B.A. Nachhaltiges Wirtschaften und Vordenker für interdisziplinäre betriebswirtschaftliche Ansätze eines zukunftsfähigen regenerativen Wirtschaftens. 2018 promovierte er zum Thema der kollaborativen Wertschöpfung aus Nachhaltigkeitsperspektive am Institut für Technologie- & Innovationsmanagement der RWTH Aachen und ist dort affiliierter Wissenschaftler. Seit Sommer 2022 ist er Prodekan und stellvertretender Leiter des Fachbereichs Wirtschaft der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft.