öbu-online #3: Ethische unternehmerische Entscheidungen in Zeiten von Corona
Anlass zur Durchführung dieses Gesprächs war der Kommentar einer Person aus einem öbu-Mitgliedsunternehmen, dass sie noch nie so viele ethische Diskussionen mit der Geschäftsleitung hatte, wie zu dieser Zeit. In diesem Fall hatten die Mitarbeitenden Glück: Alle, die aus irgendeinem Grund stärker gefährdet sind, sich mit dem Virus anzustecken und mehr darunter zu leiden, durften von Anfang an ins Home Office. Dies ist längst nicht bei allen Unternehmen so. Ein weiteres Thema ist die Durchführung von betriebsweiten Antikörper-Tests: Wenn Unternehmen Ihre Mitarbeitenden zwingen dürfen, solch ein Test durchzuführen, sollten sie das auch tun? Und wie geht man dann mit dem Resultat um? Wird es in der Gesellschaft in Zukunft noch eine weitere Spaltung geben: Die Gruppe mit und die ohne vermeintlicher Immunität?
Auch über die Unternehmensgrenzen hinweg, sehen sich viele Unternehmen mit Konsequenzen ihrer Entscheidungen konfrontiert, die noch schwer abzuschätzen sind. Was macht der Lockdown mit unseren Lieferanten und den bereits am Existenzminimum lebenden ArbeiterInnen in Produktionsstätten zum Beispiel in Bangladesh? Inwiefern sollte und kann dies in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden? Und sind Unternehmen, die sich mit solchen ethischen Fragen schon früher auseinandergesetzt haben, die ihre Lieferketten nachhaltig ausgerichtet haben, nun im Vorteil?
Was sind “gute” Entscheide?
Wichtige weitere Punkte, die im Gespräch darüber aufgekommen sind, sind unter anderem:
- Das Corona-Virus holt die Probleme an die Oberfläche, die es bereits vorher gab.
- Bei grosser Ungewissheit, wird es immer Entscheidungen geben, die im Nachhinein besser gewesen wären. Wichtig für die Akzeptanz bei allen Stakeholdern ist, dass die Gründe für und gegen eine Entscheidung allen klar sind. Wie genau bin ich zu dem Entscheid gekommen? Ist das Verständnis gegeben, können Stakeholder an für sie relevante Stellen anknüpfen und für neue Perspektiven sorgen. Nur so können wirklich “gute”, für möglichst viele Personen hilfreiche Entscheidungen gefällt werden.
- Das so viele Unternehmen bereits nach kurzer Zeit finanzielle Schwierigkeiten haben, zeigt auf, auf welchem “wackeligen Boden” ein Teil der Wirtschaft fusst. Was bedeutet dies für zukünftige Krisen? Wie resilient ist das globale Wirtschaftssystem?
- Nachhaltigkeit ist extrem wichtig und ihrer Relevanz sollte nun noch mehr Beachtung geschenkt werden. Letztendlich fanden die Grundsatzdiskussionen, die zum Teil nun geführt werden, bereits früher statt.
- Unternehmen, die enge Beziehungen zu ihren Lieferanten gepflegt haben, haben es nun meist leichter gemeinsam Lösungen zu finden, die beiden Seiten nutzen. Persönliche Beziehungen, also Bindungen über das rein Transaktionale hinaus, stärken nun den Handlungsspielraum.
- Jede Entscheidung kann eine “ethische” sein - es kommt nur darauf an, auf welche Ethik sie sich beruft. Diskussionen darüber, was “richtig” und “falsch” ist, sind dementsprechend oft hinfällig. Es geht darum, möglichst viele Perspektiven einzubinden, einen Diskurs zu führen.
So geht es weiter
öbu ist derzeit zusammen mit anderen Wirtschaftsverbänden dabei, ein Positionspapier zur nachhaltigen Entwicklungen nach der Corona-Krise zu entwerfen. Wir halten Sie auf dem Laufenden!
Zudem erhalten wir das Feedback von unseren Mitgliedern, dass gerade jetzt die Vernetzung und Beziehungspflege sowie der Austausch von Best Practice-Beispielen wichtig sei. Es freut uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und werden in Zukunft noch mehr diesbezüglich anbieten!
Unser nächstes Online-Event:
öbu-online 4: Lieferkettenmanagement - nachher wie vorher?, 21. April, 17 bis 18 Uhr Zum Event
Sie haben weitere Themen, über die Sie gerne mit anderen öbu-Mitgliedern diskutieren möchten? Teilen Sie sie uns hier gerne mit.