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Re-use in der Schweizer Bauindustrie – Logistikzentren als mögliche integrale Komponente?

Themenfeld «öbu-Themenschwerpunkt: Kreislaufwirtschaft»
- Die Bauindustrie steht wegen ihres hohen Ressourcenverbrauchs unter Druck. öbu engagiert sich im Bausektor mit der Kreislaufwirtschaftsinitiative «Wiederverwendung in der Bauindustrie». Projektmitarbeiterin Luna Sagasser hat sich in ihrer Masterarbeit ebenfalls mit Re-use im Bauwesen beschäftigt und diskutiert Logistikzentren als mögliche integrale Lösung. Hier ein Überblick ihrer Ergebnisse.

Die Bauindustrie steht angesichts ihres hohen Ressourcenverbrauchs und globaler Krisen unter Druck. Der bisherige lineare Ansatz ist nicht zukunftsfähig, weshalb die Kreislaufwirtschaft- mit Fokus auf Langlebigkeit, Renovation und insbesondere Wiederverwendung (Re-Use) an Bedeutung gewinnt. Re-Use verlängert die Lebensdauer von Materialien und senkt den Rohstoffbedarf (effektiver als Recycling).

In der Schweiz bleibt Re-Use trotz wachsendem Interesse eine Nische. Gründe sind fehlende Infrastruktur, hohe Kosten, Zeitdruck, rechtliche Unsicherheiten und fehlende Standards. Der Markt ist fragmentiert, das Bewusstsein gering.

Die Transformation zur zirkulären Bauwirtschaft erfordert neue Gesetze, Geschäftsmodelle, logistische Strukturen, Versicherungen und Anreize wie CO₂-Bepreisung.

Alberto Cerri, Projektverantwortlicher der öbu-Initiative «Wiederverwendung in der Bauindustrie» sagt dazu: «Technisch gesehen ist Wiederverwendung keine „Rocket Science“, das hat die Menschheit schon früher gemacht. (…) Wenn man versucht, eine zirkuläre Lieferkette aufzubauen, steht man jedoch preislich in direkter Konkurrenz zu den etablierten industriellen Lieferketten, die seit über 100 Jahren effizient und optimiert arbeiten. Da Kosten der entscheidende Faktor sind, ist es extrem schwierig, neue Lieferketten für Wiederverwendung wirtschaftlich konkurrenzfähig aufzubauen. (…) Was fehlt, ist die notwendige Infrastruktur.»

Logistikzentren als Schlüsselakteure

Um die Wiederverwendung von Baumaterialien in der Praxis realisierbar zu machen, benötigt es wirtschaftlich nachhaltige Geschäftsmodelle. Logistikzentren könnten eine Schlüsselrolle in der Kreislaufwirtschaft übernehmen, indem sie die Sammlung, Lagerung, Koordination der Materialflüsse, Bewertung, Aufbereitung und die Distribution von Baumaterialien effizient koordinieren. Diese These bestätigt Nicolas Fries, Circular Economy und Innovation Manager bei Implenia: «Was wirklich benötigt wird, ist eine zentrale Stelle, die Baumaterialien in grossem Massstab sammelt, aufwertet und die gesamte Logistikkette organisiert.»

Zusätzlich ist die räumliche Verteilung solcher Zentren von entscheidender strategischer Bedeutung, um sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Effizienz sicherzustellen. Das Wiederverwendungspotenzial wird nach technischen, wirtschaftlichen, regulatorischen Kriterien und Materialbeschaffenheit bewertet.

Die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteur:innen

Die Transformation hin zu einer zirkulären Bauwirtschaft erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren.  Entscheidend sind öffentliche und private Bauherr:innen, die mit ihrer Nachfrage die Wiederverwendung von Materialien vorantreiben. Öffentliche Behörden spielen als Regulierer eine Schlüsselrolle, indem sie Anreize setzen. Architekten und Planer wiederum sind als operative Treiber gefragt: Sie integrieren wiederverwendbare Materialien in Bauprojekte und beeinflussen damit die Nachfrage. Auch Bauunternehmen und Rückbauunternehmen sind unverzichtbar für den Materialkreislauf. Während Bauunternehmen durch den Einbau gebrauchter Materialien ihre Akzeptanz steigern können, liefern Rückbauunternehmen wertvolle Ressourcen für die Wiederverwendung, vorausgesetzt, Demontageprozesse werden effizient gestaltet.

Neben diesen zentralen Akteuren gibt es unterstützende Partner:innen wie Materialprüfstellen und Standardisierungsorganisationen. Sie sorgen für Qualitäts- und Sicherheitsstandards, während Versicherungen Lösungen für Haftungsfragen bereitstellen. Auch digitale Plattformen gewinnen an Bedeutung, da sie Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Materialien erleichtern.

Die Neuerfingung der Bauindustrie und das Potential von Re-Use

Die Bauindustrie muss sich neu erfinden, um sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen - Re-Use bietet dabei ein enormes Potenzial. Logistikzentren könnten der Hebel sein, um den Wandel zur zirkulären Bauwirtschaft in der Schweiz anzustossen. Jetzt braucht es Strukturen, die zirkuläres Bauen wirtschaftlich machen.

Masterarbeit von öbu-Projektmitarbeiterin Luna Sonia Sagasser

In ihrer Masterarbeit analysierte Luna Sonia Sagasser bislang unbeachtete Faktoren und entwickelte Empfehlungen. Interviews mit Expert:innen zeigen Herausforderungen und Potenziale in der Re-Use-Kette. Logistikzentren gelten dabei als zentrale Lösung. Lebenszyklusanalysen mit Tools wie Ökobaudat liefern zusätzlich ein System zur Bewertung des Wiederverwendungspotenzials.

(Bildquelle: Pexels)