
Steigende Anforderungen & neue gesetzliche Pflichten für Unternehmen: In 4 Schritten zur menschenrechtlichen Sorgfalt
Seit dem 1. Januar dieses Jahres gelten in der Schweiz die neuen Bestimmungen für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt. Zahlreiche Schweizer Unternehmen unterliegen somit direkt neuen Pflichten in den Bereichen Nachhaltigkeitsberichterstattung und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bezüglich Kinderarbeit und Konfliktmineralien.
Als Unternehmen sollten Sie sich bereits jetzt auf die neuen Pflichten vorbereiten und das Jahr 2022 dazu nutzen. Denn spätestens im Sommer 2024 müssen Unternehmen - zumindest diejenigen, welche unter die neuen Berichterstattungspflichten fallen - einen entsprechenden Bericht über die Geschäftstätigkeit im Jahr 2023 veröffentlichen.
Diese neuen Bestimmungen (vgl. Anpassungen im Obligationenrecht bzgl. Transparenz über nichtfinanzielle Belange und Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit (VSoTr)), welche als Gegenvorschlag zur knapp abgelehnten Konzernverantwortungsinitiative automatisch in Kraft traten, bezwecken die schrittweise Transformation der Schweizer Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. öbu und zahlreiche weitere Wirtschaftsverbände unterstützen Unternehmen mittels Informations- und Schulungsangeboten bei der Vorbereitung und Umsetzung dieser neuen Pflichten.
4 Schritte: Was sollten Unternehmen tun?
Schritt 1: Sich mit dem Thema vertraut machen
Wir empfehlen allen Unternehmen, auch kleineren, sich mit dem Thema vertraut zu machen. Denn obwohl primär grössere Unternehmen von den Gesetzen direkt erfasst sind, werden wohl auch viele kleinere Unternehmen über ihre Geschäftskundenbeziehungen indirekt von den Gesetzen betroffen werden. Ein Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen im europäischen Ausland - bspw. auf das Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) - legt nahe, dass sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema der menschenrechtlichen Sorgfalt auch mit Blick in die nahe Zukunft lohnen kann.
Namentlich sollten sich Unternehmen informieren über den Geltungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen, die geregelten Inhalte sowie die Anforderungen an die Gesetzeskonformität. Mit Unterstützung des SECO werden derzeit schweizweit Einführungswebinare durchgeführt. Als Einstieg empfehlen wir Unternehmen das Einführungs-Webinar von öbu, Swissmem & Go for Impact mit focusright GmbH vom 31. März 2022. Sie finden die Aufzeichnung hier:
Aus dem Einführungs-Webinar vom 31. März mit focusright GmbH:
Geltungsbereich der Bestimmungen:
Die drei Teile der neuen Bestimmungen haben jeweils unterschiedliche Geltungsbereiche. Ein Unternehmen kann keinem, mehreren oder allen drei Bereichen unterstehen. Vereinfacht sind Unternehmen ab 500 Mitarbeitende verpflichtet, einen jährlichen nicht-finanziellen Bericht zu veröffentlichen. Unternehmen ab 250 Mitarbeitende müssen mindestens Risiken bezüglich Kinderarbeit prüfen um feststellen zu können, ob für sie weitere Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Bezug auf Kinderarbeit gelten. Im Bereich der Konfliktmineralien gelten festgelegte Einfuhrmengen, unabhängig von der Unternehmensgrösse.



Schritt 2: Thema und Zuständigkeiten intern verankern
Die Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten ist keine einmalige Übung, sondern wird Unternehmen kontinuierlich begleiten - so wie die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Nachdem Unternehmen ein grundlegendes Verständnis der gesetzlichen Pflichten entwickelt haben, sollte die Zuständigkeit für das Thema Menschenrechte intern klar verortet werden. Die Verantwortung kann bei der Geschäftsleitung oder auch bei geeigneten Abteilungen, die sich mit themenverwandten Inhalten beschäftigen, liegen. So zum Beispiel in den Bereichen Nachhaltigkeits-, Umwelt-, Gesundheits- Lieferketten- oder Qualitätsmanagement oder bei der Rechtsabteilung.
Schritt 3: Vorhandene Prozesse und Managementsysteme identifizieren
Was Unternehmen im Bezug auf die Schweizer Bestimmungen genau leisten müssen, hängt davon ab, unter welche der Bestimmungen sie fallen. Sobald die Frage der gesetzlichen Betroffenheit geklärt ist, sollte identifiziert werden, welche interne Prozesse bereits vorhanden sind und welche noch gestärkt werden müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.
Dabei empfiehlt sich eine Orientierung an den Bestimmungen der VN-Leitprinzipien bzw. der OECD-Leitsätze. Denn obwohl Aspekte der menschenrechtlichen Sorgfalt in unterschiedlichen nationalen und internationalen Gesetzen geregelt sind, basieren fast alle Regulierungen auf diesem internationalen Referenzrahmen. Eine Orientierung an diesem Rahmen erhöht daher die Chance, dass mit den heute getroffenen Massnahmen auch künftige Stakeholder-Erwartungen und regulatorische Entwicklungen abgedeckt werden können.
Für die Überprüfung der bestehenden Prozesse kann eine externe Organisation beigezogen werden. Es existieren aber auch verschiedene Leitfäden und Online-Tools, welche die eigenständige Überprüfung und Identifikation möglicher Lücken in den eigenen Prozessen erleichtern. Auch diese werden im oben erwähnten Einführungs-Webinar kurz erwähnt.
Schritt 4: Aufbau und Pflege der menschenrechtlichen Sorgfalt
Wie ausführlich die Analyse möglicher Risiken ausfällt und wir komplex die Managementprozesse im spezifischen Fall ausgestaltet werden sollten, hängt von verschiedenen Faktoren bezüglich der spezifischen Situation des Unternehmens ab, wie bspw. der Grösse des Unternehmens, der Komplexität der Lieferketten und deren menschenrechtlichen Risikoprofil. Das Gesetz sieht explizit eine solche Anpassung der Prozesse an die individuelle Situation des Unternehmens.
Das menschenrechtliche Risikoprofil bzw. eine Analyse der potentiellen negativen menschenrechtlichen Auswirkungen, welche durch das Unternehmen verursacht oder begünstigt werden, ist eine wichtige Grundlage für eine auf die spezifische Situation angepasste Vorgehensweise. Um die menschenrechtliche Risikoanalyse und die Priorisierung möglicher Wirkungen näher kennen zu lernen, organisieren öbu, Swissmem und IG exact gemeinsam einen Vertiefungsworkshop: Menschenrechtliche Risikoanalyse. Durchgeführt wird der Vertiefungsworkshop von der focusright GmbH.
(Quellen: Text: David Weiss; Übersichtsgrafiken: focusright GmbH; Titelbild: shutterstock_505182946)